All I Need Is A Miracle – Socken
Hat noch jemand das Problem? Der Lärm. Er ist nämlich wieder da, der Lärm. Schon wieder, ganz genau. Dieses Mal das dumpfe Gewummer. Das müsse man abstelle, wird mir freundlich aber entschieden mitgeteilt. Handlungsbedarf, gemahnt das Gewissen zusammen mit dem Klingeln in den Ohren, nachdem ich die Tür wieder geschlossen habe. Was also tun?
Im ersten Moment hatte ich überlegt, auf das Modell Doppel-Hi-Hat auszuweichen. Das würde ganz sicher innovative Sound-Landschaften entfalten, aber perspektivisch schien mir das untere Frequenzspektrum bei dieser Wahl doch etwas ausgedünnt. Auch die Dynamik, fürchtete ich, litte unter einer so radikalen Entscheidung. Womit sie immer noch da war, die Frage: Was also tun?
Die Antwort stellte sich ein paar Tage später ein, als ich die Wäsche sortierte und mich einschlägiger Ratschläge aus Videos voller hemdsärmeliger Tipps und Tricks entsann: Socken! Denn wie wir alle wissen:
Socken sind die Universal-Waffe gegen jegliche Form der Lärmbelästigung!
Nicht nur, dass sie sich den Nachbarn in die Ohren stopfen ließen. Sie bieten weit mehr Möglichkeiten der Lärmreduktion. Eine ausreichende Menge vorausgesetzt eignen sie sich beispielsweise hervorragend dazu, Trommeln von Resonanz- bis Schlagfell vollständig auszufüllen, so dass außer einem verhaltenen „Pupp“ kaum noch etwas zu vernehmen bleibt.
Wem die Stopfnummer zu trocken ist und wer sich vielleicht auch in der glücklichen Lage befindet, dass die Wände zwischen Schlag- und Trommelfell aus solidem Stein statt aus Pappmaché mit Filzpolster bestehen, der kann auch die Lösung „Socken light“ wählen. Die lautet: Umkrempeln und überstülpen.
Umkrempeln gilt hierbei für die Socken selbst, überstülpen beschreibt dagegen das Schicksal von Sticks und Beatern. Wobei in meinem Fall der beklagten Tieffrequenzen ausschließlich letztere betroffen waren.
Damit die Geschichte mehr Spaß und Freude macht, habe ich keine trauergrauen Füßlinge aus der Schublade gezogen, sondern mich für ein gestreiftes Paar entschieden. Frisch gewaschen schienen sie mir gute Probanden für mein kleines Experiment zu sein und sie fügten sich bereitwillig.
Zuerst einmal habe ich die Socken natürlich auf links gedreht, damit später die Streifen sichtbar sind. Dann habe ich das Bündchen umgeschlagen und die Socke peu-a-peu weiter eingefaltet, bis sie nur noch ein Ring mit Dach war. Damit offenbarte sich schon das erste Sorgenkind: Der Ring war ziemlich breit…
Egal, dachte ich mir, erst mal die zweite Socke einfalten und dann gucken wir mal. Gesagt, getan. Im Ergebnis hatte ich nun zwei Ringe mit Dach, die sich in einem Bauernhof-Modell prima als Heuschober hätten nutzen lassen. Leider fehlten mir gerade die Plastikkühe, weshalb ich mich des eigentlichen Plans erinnerte: Die Beater.
Deren Filzköpfe überzog ich jetzt mit dem Socken-Ringen, damit der harte Filz in Zukunft sacht und sanft das Fell beschlägt. Soweit die Theorie. Und die Praxis?
Der Test am Set offenbarte allerhand. So zeigte sich zum Beispiel, dass die Ringe tatsächlich breit waren und sich gegenseitig ausbremsten. Also kniete ich mich vor die Über-Trommel und knetete die Socken in Form.
Was anschließend auffiel war, dass der Anschlag auf das Bassdrum-Fell tatsächlich leiser war – leider war der Impuls zu kurz, um ihn adäquat messen zu können, aber gefühlt waren es überraschend viele dB. Also etwa halb so laut. Oder etwas weniger. Oder so.
Es zeigte sich auch, dass der Klang der Bassdrum sanfter war, denn der Punch der Aufschlags war – ich schrieb es schon? – sanfter. Statt Kick- jetzt Plüsch-Drum, quasi. Aber das war noch nicht das Beste.
Der eigentliche Spaß stellte sich ein, als ich intensiver zu spielen begann, und er kumulierte in der Wortschöpfung „Flugsocken“. Denn bedauerlicher Weise waren die Baumwoll-Rollen nicht ernstlich daran interessiert, sich den Gesetzen der Physik zu entziehen, weshalb sie den Regeln der Haftreibung auf der einen und denen der beschleunigten Masse auf der anderen Seite Genüge taten und jetzt und gleich und wieder von den Filzköppen hopsten. Das Resultat war eine bedingte Lärmreduktion und die Wette mit mir selbst, wie weit sie dieses Mal zu fliegen schaffen.
Angesichts dieses minimalen Dilemmas stellte sich erneut die bekannte Frage: Was soll ich bloß tun? Folgende Optionen hopsten mir in den Kopf:
- Ich könnte es mit Klettband zwischen Filz und Socken probieren.
- Ich könnte es mit Gummibändern über den Socken-Ringen probieren.
- Ich könnte es mit einer andere Rolltechnik probieren.
- Ich könnte es mit professionellen Silent-Beatern probieren.
Vielleicht versuche ich es in der Reihenfolge? Oder überspringe ich die ersten drei Punkte und werde direkt wieder erwachsen?
Ich glaube, ich werde mal telefonieren. Dann kann ich vielleicht sogar einen Vergleichs-Test schreiben.
Mal gucken.
PS: All I Need Is A Miracle ist ein Song der englischen Pop-Band Mike & The Mechanics, zuerst zu finden auf deren Debut-Album der Band mit dem Name Mike & The Mechanics
Abbildungen: Flamadiddle