Stand By Me – Die Crux mit dem Notenständer

Bild: thomann
Bild: thomann

Wer trommeln will, muss lesen können, sagte mein alter Schlagzeug-Lehrer (also der damalige, der war nur ein paar Jahre älter als ich war). Gemeint hat er natürlich Noten, die für Schlagzeuger neben ⦁ auch ein paar x und ♢ und▲ parat haben, für die Becken und die Ride-Bell und so andern Kram. Das ist hübsch anzusehen und außerdem hilfreich, besonders, wenn die Blätter nicht bei jedem Schlag von den Trommeln flattern.

Damit das nicht passiert, hat sich der Mensch (welcher genau, weiß ich gerade nicht) den Notenständer ausgedacht. Also das Prinzip, ein benotetes Blatt Papier in der Senkrechten aufzuspannen, dass der geneigte Musiker (ok, manche Trommler sitzen auch gerade) leichter die Musik vom Blatt über das Auge und die Fingerspitzen in die Ohren Dritter transportieren kann.

Was zur Wahl steht, ist natürlich klar: König & Meyer. Denn jeder hat gerne einen König im Haus. Und außerdem hatten Mikro-Ständer von K&M damals mein Set umzingelt – Snare, Bass-Drum, Toms und zwei Overheads, ein netter Stangenwald in mattschwarz.

Heute ist natürlich alles bunter. Es gibt blau und rot und grün und schwarz und weiß und gelb vielleicht auch, aber eins davon sollte reichen. Die Wahl fällt auf ein weißes Modell, denn das passt zu dem weißen Schlagzeug und außerdem schlummert es seit einem Jahr seinen Dornröschenschlaf, als saiten-weise Ambitionen anderer Hausbewohner spontan zum Erliegen kamen. Geschwind verschleppe ich den weißen Ständer in den Übungsraum. Und da haben wir dann das Dilemma: kein Platz.

Nun ließe sich natürlich einwenden, ein Notenständer sei doch kein Elefant. Nicht einmal eine Gazelle sei er. Aber trotzdem passt er nicht, denn links vom Schlagzeug ist eine Heizung und zwischen Heizung und Schlagzeug drängeln sich dicht an dicht der Ständer für das TD-17, der Ständer der Hi-Hat und der Ständer für das 10“ Tom nebst 12“ Crash. Und auch wenn die Digital-Wunder ganz bezaubernd minifiziert sind – es ist kein Platz, denn all diese Ständer stehen mit den beinen fast schon ineinander.

Schuld an dem Dilemma ist jedoch der Notenständer. Seine Beine sind nämlich nach neuesten Erkenntnissen der physikalischen Stabilitätslehre entwickelt – und darum reichlich doof. Statt wie bei jedem normalen Ständer an Schellen genietet das Mittelrohr auf und ab zu gleiten, klappt das majestätische Dreibein in weiß von unten auf geschätzte 30 Grad, um der musikalischen Last ausreichend Halt zu verschaffen.

Leider ist der Ständer hierdurch digital: Bei „0“ stehen die Beine senkrecht, gleichbedeutend mit „fällt gleich um“. Und „1“ heißt ausgeklappt und damit viel zu breitbeinig – der Radius der Beinerei beträgt gesetzte 68 Zentimeter. Das ist ein super Durchmesser für eine Party-Pizza, im perkussiven Alltag hilft die Pizzaplatte dagegen nicht, besonders, wenn ein Heizkörper im Weg steht. Oder das Schlagzeug?

Aus Gründen der reinen Neugier und um Arbeit zu sparen, könnte ich zwei der drei Beine auf dem Radiator platzieren, denn der ist immerhin hübsch flach. Und das dritte Bein, das stelle ich einfach auf… – ja, worauf nur? Einen Ziegelstein? Habe ich nicht und passt auch nicht zwischen die ganzen anderen Beine. Auf andere Ständer-Beine? Rutschgefahr und Mangel an Halt. Auf die kleine Plattform am Siemens Lufthaken? Muss erst noch erfunden werden.

Alternativ könnte ich natürlich das Schlagzeug verschieben – wäre nicht eine Rutschsicherung unter dem Teppich. Und abbauen? Nicht für einen Notenständer, König hin, Meyer her. Außerdem müsste es dann weiter nach rechts und da ist die Tür, die ich erfolgreich blockieren würde.

Und wenn ich die Beine einfach nicht voll ausklappe? Dann fehlt ihnen leider der entscheidende Halt und die ganze Noten-Fuhre kippt mal hierhin, mal dorthin, und täte sie es im Takt, ersparte sie wenigstens das Metronom. Aber so bleibt es einfach nur blöd.

Die Konsequenz der Forschungsreise? Ich werde in den sauren Apfel zu beißen und einen anderen Notenständer erwerben. Einen von diesen banalen altmodischen, deren Beine sich beliebig im Winkel fixieren lassen, weshalb sie wunderbar präzise in beliebige Lücken geschummelt werden können.
Dass des Trommlers Herz sich freue an ungetrübter Rezeption mäßig großer Notation.

Mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis gewappnet wird der nächste Versandhandel konsultiert, der es sich nicht nehmen lässt, den Suchenden mit einer Flut von Angeboten zu umspülen. Nur noch per Mausklick zugreifen, schon könnte die Welt in Ordnung sein. Doch erstens kommt es anders und zweitens als du denkst. Denn drittens ist Man(n) selten allein.

„Was machst du.“ – „Ich bestelle einen Notenständer für das Schlagzeug.“ – „Noch einen Notenständer? Ich bin dagegen.“

Was eine zweite Lehre für den Tag bereit hält: Nicht jede Maus ist mit einem schlichten Klick zu überzeugen.

 

PS: Stand By Me ist ein Rhythm & Blues-Song von Ben E. King aus dem Jahr 1961

 


Abbildungen: thomann



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