Talk to me – E-Drums sind tumb
Ich glaube, ich erwähnte es bereits, dass ich gegenüber elektronischen Schlagzeugen einen leichten Skeptizismus empfinde. Das hat zum einen mit dem Gedanken zu tun, dass nur das wahre Ding auch das wahre Ding ist. Zum anderen liegt es an der Tatsache, dass mir mein E-Schlagzeug immer wieder mal Grund für die Annahme gibt, dass Technik vor dem Set extrem viel Zugewinn, Technik als Set dagegen mit diversen Verlusten behaftet ist.
Wie kommt der Mensch dazu, so etwas zu sagen? Schließlich blicken wir auf 30 Jahre E-Drum Entwicklung zurück. Und mein drum-tec Pro gilt als das Rolls Benz unter der Elektro-Klappern. Trotzdem – so ganz stimmt das alles nicht.
Zum einen ist da der Faktor Zeit. Ein klassisch-akustisches Set ist da ganz unprätentiös: Einmal Hauen, schon erblüht ein Ton. Und das E-Drum? Im Grunde ganz ähnlich:
Einmal Hauen, schon registriert das Trigger, dass ein Impuls erfolgt ist, leitet diese Information mittels Kabel weiter an den angeschlossenen Übersetzer, meist Sound-Modul genannt, das seinerseits „Aha, ein Impuls!“ sagt und nach Zuordnung des Impulsgebers entscheidet: „Die Snare.“ Worauf es nach Rückversicherung bei der gewählten Einstellung in seiner Bibliothek den zugehörigen Klangschnipsel „Snare“ für das Schlagzeug „Rock 80-ies“ hervor zerrt und dem Digitalwandler überreicht, der aus den Nullen und Einsen des WAV-Files eine Gruppe von akustischen Wellen abstrahiert, die er seinerseits an den Verstärker weiter gibt, der aus dem leisen Schnarr-Geräusch des Meshheads nun den gehörigen Schnarr-Knall macht, den er mittels Klinkenbuchse an den Klinkenstecker des angeschlossenen Kopfhörers übergibt, der schließlich behelfs einer Membran das grandiose Schallereignis den sehnsüchtig darbenden Ohren präsentiert: „Snare. Da hast du sie.“
Ich möchte jetzt keine Lanze für die Romantik der reinen Handarbeit auf reinen Kunststofffellen brechen. Ich möchte auch nicht behaupten, dass die Elektronik von einer so dramatischen Latenz infiziert ist, dass zwischen Handbewegung und Ohr-Ereignis eine große Tasse Kaffee passt. Es passt nicht mal ein Espresso dazwischen. Nicht mal das Wort „Espresso“. Es ist nur so:
Die Trommeln sind dumm. Und die Elektronik auch. Und das Soundmodul ist besonders dumm, obwohl es alle als besonders clever präsentieren. Weit gefehlt.
Wer ein cleveres Modul möchte, darf dafür den Preis eines profitauglichen E-Sets hinblättern. Macht 4000 für die Trommeln und noch mal 3500 für das Modul. Und die Becken? Die gehen extra. Wobei – die Becken…
Die Becken sind eigentlich das Schlimmste. Die Dinger klingen nicht, die pock-en nur. Und wie die dummen Trommeln kennen Sie auch nur ein Phänomen: 1. Oder: 0. Also „Impuls erkannt“ oder „nix los hier“. Im zweiten Fall gibt es kein Geräusch. Im ersten gibt es das vorgefertigte Dynamik-Häppchen, das der Speicher vorgemerkt hat. Was ich dazu denke?
Geht so. Immerhin ist es nicht so laut wie ein echtes Set. Aber nach dem Pock auf den Gummiüberzug nimmt der Trigger halt das Signal, schickt es auf die Kabel-Reise in das Sound-Modul, das mit einer Interpretation beginnt, bevor es in seine Klangbibliothek … – Sie wissen schon.
Wobei ich noch gar nichts über die Hi-Hat gesagt habe. Und was mir dazu einfällt, notiere ich jetzt irgendwo separat, damit mir nicht die Sprache öffentlich ausrutscht, und beschreibe stattdessen, was mich am meisten nervt: Dass ich zu doof bin, sie zu spielen.
Von meinen alten Zildjian 15“ Hi-Hats kannte ich es so, dass sie beim Öffnen des Pedals langsam zu Rascheln anfingen und dass sie, wenn ich das Top-Becken mit dem auftreffenden Stock hob und gleich wieder senkte, ein schönes „Schlurp“ vernehmen ließen (ok, nicht ganz „Schlurp“, aber wie lautmalt sich das akustische Phänomen einer sich öffnenden und schließenden Hi-Hat bitte? Einatmend „Chup“? Auch keine Ahnung? Schade.)
Das Roland 12-Zoll Plastik-Gebamsel am Pearl-Hi-Hat-Stand hat dazu eine andere Meinung. Fuß hoch, wenn der Stock auftritfft: Kein Geräusch. Fuß hoch, bevor das Stock auftritt: Unrealistisches Spielgefühl, gefolgt von Chup oder Blechgeplärr aus der Konserve. Was das heißt?
Üben heißt das. Und zwar zu spielen, wie ich meinte, nicht gespielt haben zu müssen, als alles noch einfach und akustisch war. Vielleicht aber habe ich mir das nur viel zu schön gemerkt – früher war ja schließlich alles besser.
Auf jeden Fall sitze ich jetzt regelmäßig auf dem Hocker und hacke den Stock auf das High des Hats, während der linke Fuß den rechten Moment des Abhebens zu finden versucht. Manchmal klappts. Und manchmal…
…manchmal denke ich, wenn mir ein akustisches Set über den Weg läuft, probiere ich es mal auf ihm aus. Dann weiß ich, ob ich oder die Elektronik zu blöd ist.
PS: Talk To Me ist die erste Zeile im Refrain von Here Comes The Rain Again, zu finden auf dem Album Touch der Gruppe Eutrythmics
Abbildungen: Flamadiddle