Angel or Devil – Pro und Cons digitaler Drums

Ich muss zugeben, ich fremdele noch immer. So realistisch so ein drum-tec Pro auch aussehen mag, es ist kein Schlagzeug. Es ist ein digital unterstützter Ersatz, der einige Vorteil hat und vieles vermissen lässt. Darum könnte ich zwar täglich darauf spielen – ich mag aber nicht.

Um ehrlich zu sein: Ich mag fast überhaupt gar nicht darauf spielen. Da stellt sich natürlich die Frage: „Warum hast du Depp es dir denn dann überhaupt gekauft?“ Die Antwort ist ähnlich simpel:

„Ohne Kompromisse gibt es nur Krieg und Stagnation oder Krieg und Diktatur.“

Beide Optionen schienen mir noch weniger verlockend. Wobei ich mir nach den ersten Testminuten im Laden den Alltag auch anders vorgestellt hatte. Was ich mir vorgestellt hatte? So ähnlich wie mit einem akustischen Schlagzeug zu spielen, mit ähnlichen Möglichkeiten, Klänge zu beeinflussen und ähnlichen Reaktionen auf diverse Sticks und Spielweisen, wie bei echten Fellen und blinkenden Blechen. Und im Laden schien es auch so ähnlich zu sein.

Im Alltag ist es aber anders. Denn im Alltag quatscht keiner dazwischen, ist die Konzentration nicht auf das Neue sondern auf das Tun gerichtet, ist viel mehr Zeit und es sind viel mehr Möglichkeiten, zu probieren, weil einfach mehr Gear herumliegt. 

Und wenn all das zusammen kommt, dann fällt sehr massiv auf, dass der Klang eben nicht so vielfältig ist, wie bei echten Trommeln und Becken. Und dass er eben nicht aus eben diesen kommt, klar lokalisiert, eindeutig spürbar und mit Stock, Rod und Besen ebenso wie mit Druck und Tricks manipulierbar. Dass das wahre Ding eben bloß leidlich gute Konserve ist. Und dass die Pads und Becken-Pads ständig dazwischen quasseln. Wie das?

Ein digital-Set hat „Trommeln“, die je nach Ausführung etwas machen, das irgendwo zwischen einem Practice-Pad und einer echt-ähnlichen Trommeln changiert. Sind es richtige Pads, klingt der Impuls des Stocks „Pock“, sind es Trommeln mit Meshheads, quittieren sie den Anschlag mit einem „Bzzz“. – … Brrrrr! …

Die Becken sind immer aus gummiertem Plastik, und das eine wie das andere macht „Pock“, und zwar jedes das gleiche „Pock“. Das ist klar lokalisierbar und prima zu hören, wenn der Verstärker für die Kopfhörer nicht relativ laut gestellt wird. Aber abgesehen davon, dass ein Pock ein Impuls ohne Nachklang ist, was einem Becken eher nicht ähnelt, irritiert das“Pock“ auch ordentlich, womit es einem ziemlich auf die Nerven gehen kann.

Die Ohren sind derweil damit beschäftigt, aus den Kopfhörern all die emulierten Klang-Konserven entgegen zu nehmen, die – im Fall meines TD-17 – immerhin gut klingen und auch realistisch aufgefächert sind, solange man nicht Tom 2 links neben die Snare stellt. Oder mit Rods oder Besen spielen will. Oder beim Spiel die Felle dehnen, um den Ton zu ändern möchte. Oder das Becken beim Spielen mit der anderen Hand abdämpfen möchte. Das Becken macht alles einfach weiter „Pock“ und liefert dazu den voreingestellten Klang, und zwar grundsätzlich und nur. Der einzige Spielraum: Mal lauter, mal leiser. Das war’s .

Zugegeben, Besen wären möglich, mit dem Soundmodul TD-20, was der Verkäufer nicht sagte, ich nicht fragte, und außerdem wären dann knapp 1500 Euro mehr fällig gewesen – dafür gibt es schon taugliche gebrauchte Komplett-Sets bei Ebay.

Darum sitzen die ganze Zeit Engelchen und Teufelchen auf meiner Schulter und liefern sich wilde Wortgefechte. Hier eine kleine Kostprobe:

 

Engelchen
Es ist doch viel besser, als gar nichts.

Teufelchen
Es ist gar nichts, nur klingt es nicht so…

Engelchen
Du bist zu harsch. Es ist ein Schlagzeug, es spielt sich wie ein Schlagzeug, aber es ist freundlicher zur Umwelt. Also kannst du öfter spielen.

Teufelchen
Ja, natürlich. Es spielt sich wie ein Schlagzeug. Ich darf kurz lachen? Alles Trommeln finden im Kopfhörer statt, die Becken sind dick und gummiert, stinken tun sie obendrein, Schalldruck auf den Körper findet gar nicht statt und die Nachbarn meckern trotzdem – über den Trittschall. Das ist doch echter Fortschritt…

Engelchen
Gegen Trittschall lässt sich doch leicht etwas unternehmen.

Teufelchen
Stimmt. Nach den Kosten für das E-Set und den Kosten für die leisesten Sticks und die stilleren Beater nur noch eine weitere Ausgabe für die Maßnahmen gegen den Trittschall: für die Hi-hat, für die Bass-Drum, für das Doppel-Pedal, für den Snare-Ständer, für den linken Ständer mit dem einen Becken und dem einen Tom, für den rechten Ständer mit dem anderen Becken und dem anderen Tom, für das Floor-Tom – überall brauchst du Dämmgedöns. Da bist du schnell bei dreistelligen Summen. Aber die sind ja ein Witz, verglichen mit den Ausgaben, die schon getätigt wurden.

Engelchen
Es gibt so viele Lösungen. Das muss doch gar nicht so teuer sein.

Teufelchen
Stimmt. Tennisbälle. Die sind prima, stimmt’s? Blöd nur, dass hier keiner Tennis spielt und neongrün nicht zum Teppich passt. Natürlich gibt es noch Gummimatten für Waschmaschinen. Fix in handliche Quadrate geschnitten, und schon liegen Pedale und Trommeln 15 mm höher. Dann lege ich noch drei unter den Drumhocker, damit er schön schwingen kann, und alles ist sensationell perfekt!

Engelchen
Dass du immer so negativ bist.

Teufelchen
Ich bin nicht negativ, ich bin bloß ehrlich. Für die Hälfte dessen, was dieses Set gekostet hat, kannst du auch ein neues akustisches kaufen und vom Differenzbetrag für fünf Jahre Untermieter in einem beliebigen Übungsraum werden.

Engelchen
Aber dann kann jeder auf deinem Set spielen und am Ende ist etwas kaputt oder vielleicht sogar gestohlen. Deine E-Drums hast du immer bei dir, da nimmt dir niemand etwas weg, und du kannst spielen, wann immer du willst.

Teufelchen
Jaja, immer. Besonders spielen, wann ich will, so ohne Nachbarn, Mitbewohner, Haustiere, …

Engelchen
Und du hast viel mehr Klänge zur Auswahl. So viele Schlagzeuge. So viele verschiedene Becken. So viele Percussion-Effekte. Ein einziges akustisches Set kann das gar nicht. Stattdessen musst du mehrere Schlagzeuge kaufen und ganz viel Kleinpercussion – und schon bist du auch auf dem Betrag. Und willst du dein Spiel aufnehmen, brauchst du für dein E-Set nur deinen Computer. Für ein akustisches Set musst du noch Mikrofone kaufen, dazu die passenden Ständer, außerdem ein Mischpult und jede Menge Kabel, und erst dann kannst du dich aufnehmen.

Teufelchen
Wofür auf jeden Fall gesteigerter Bedarf besteht. Meine erste Sorge gilt der Aufnahme meiner Stümpereien. Exzellenter Einwand!

Engelchen
Und wie willst du sonst kontrollieren, was du tust? Und evaluieren, was du verbessern möchtest? Und erkennen, welche Fortschritte du schon gemacht hast?

Teufelchen
Fortschritte? Erst mal müsste ich eine Einstellung finden, mit der zu spielen Spaß macht. Mal klingen die Trommeln toll, aber die Becken sind Scheiße. Oder die Becken klingen toll, aber nur zwei der drei. Oder die Snare ist prima, dafür der Rest Grütze. Oder ich wähle gleich die prima 80-er Jahre E-Drums, die kein Mensch mehr braucht. Oder die komischen Soundeffekte, die klingen, als seien die Trommeln selbst besoffen… – passender Weise heißt der Sound „Bottles“! Prost!

Engelchen
Merk dir doch einfach, welcher Klang von welchem Set dir besonders gut gefällt, oder nimm die technische Übersicht zur Hand. Und dann stellst du dir ein eigenes Custom-Set zusammen. Oder zwei. Oder drei. Für jede Stimmung ein passendes.

Teufelchen
Wie wäre das stattdessen: Geh in ein Geschäft, nimm deine Lieblings-Stöcker mit und probier aus, welches Schlagzeug und welche Becken dir besonders gefallen, kauf das alles und nimm es mit nach Hause, um dich an seinem Klang und Glanz zu erfreuen.

Engelchen
Damit hat du aber wieder das Lärmproblem…

Teufelchen
…das aber eigentlich überhaupt nicht ich habe, sondern die Nachbarn, die Mitbewohner, die Haustiere….

 

Sie ahnen schon: Es ist ein munteres Hin- und Her, das die zwei sich da argumentativ liefert, weil ein Teil von mir lieber „The Real Thing“ hätte und der andere Teil weiß, dass dafür einfach nicht die richtige Zeit ist und hier auch nicht der richtige Ort.

Es heißt also: Durchhalten. Und das beste aus der Situation machen. Während Engelchen und Teufelchen weiter um einen Kompromiss und um die gemeinsame Sichtweise ringen.

Sicher ist indes: Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht…

 

PS: Angel or Devil ist ein Titel des K-Pop-Band TXT (투모로우바이투게더)



Abbildungen: Ocal/clker.com; Montage: Flamadiddle



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