The Motel Room – Üben im Urlaub und unterwegs
Wer öfter eine Reise tut, der braucht zum Trommeln etwas Mut. So in etwa ließe sich das Übe-Dilemma für Schlagzeuger in Urlaubs- und )Dienst-)Reisezeiten als Sinnspruch verewigen. Denn in fremden Gemäuern gilt noch weit mehr als in den heimischen vier Wänden: Krach ist herzlich unwillkommen. Was also tun?
Weil ich grade unterwegs bin und das Zimmer leidlich langweilig, habe ich gedacht, ich probiere mal aus, was geht. Zum Beispiel?
Kopfkissen
Angeblich soll Dennis Chambers ein Kissen als Practice-Pad ins Gespräch gebracht haben, auch wenn mancher Trommel-Lehrer die Kopf-Raststätte wegen fehlenden Rebounds und der starken Arbeit für das Handgelenk ablehnen. Im Hotelzimmer ist das Kissen ebenfalls weich, der Rebound fehlt völlig, dafür macht es bei jedem Schlag laut „Plopp“. Trittschall fällt zwar aus, aber das Kissen-Genuschel – alternativ das der zusammengerollten Bettdecke – dürfte auch alleine gut durch das Gemäuer tragen. Also: Abhängig von der Wandstärke im Hotel eine bedingt gute Idee.
Matratze
Die Matratze des Bettes ist schon besser, was den Rebound betrifft. Der Stock hopst bereitwillig ein bisschen zurück und das spart Arbeit. Allerdings ist auch die zentrale Lagerfläche nicht gerade das, was der Volksmund als schweigsam bezeichnen würde. Und damit stehen wir vor dem selben Problem: Zuviel „Plopp“ im Gasthaus-Flur. Außerdem lässt sich die Matratze weder auf ihr sitzend noch mit einem Stuhl vor dem Bett gut spielen. Damit ist auf ihr zu Üben eher unbequem. Also: Für alle außer Yogis keine so gute Idee.
Sitzmöbel
Alternativ könnten natürlich auch verschiedene Sitzmöbel für den Trommelspaß herhalten: Stühle, bevorzugt solche, die gepolstert sind, Hocker, Fußablagen, Sessel, Sofas… – je nach Ausstattung des Hotelzimmers (oder der Lobby 😉 ) eröffnen sich vielfältige Optionen. Allerdings neigen manche Polstermöbel zu Staubabsonderungen, wenn sie geschlagen werden. Fair enough, mag der Brite sagen, aber doof für Stauballergiker und solche, die es werden wollen. Je nach Polsterung ist außerdem der Aufschlag des Stocks deutlich zu vernehmen, und zwar zum einen, wenn wenig Polster zwischen Oberfläche und Holzunterbau ist, und ebenso, wenn der Bezug aus Kunst- oder Echtleder ist, denn das platscht sehr vernehmlich.
Tischplatte
Zum Glück gibt es ja Sticks, die damit beworben werden, dass ihr Gummi-Kopf das Practice-Pad spart und sich mit Ihnen auf beliebigen Flächen materialschonend der Rudiment-Test praktizieren lässt. Da der Tisch relativ hoch ist wähle ich den Nachttisch, der auch eine hübsche Platte hat, und hole aus. Das mache ich genau ein Mal, dann hat der erzeugte Ton mein Gewissen geweckt – und das rät mir davon ab, diese Unterlage weiter zu beproben. Denn die Platte äußert sich vernehmlich ob der Stick-Attacke und der Hohlraum unter ihr resoniert beeindruckend. Da ist stark anzunehmen, das binnen kürzester Zeit auch die Aufmerksamkeit des Hotel-Personals geweckt würde, begleitet von unerfreulichen Ansagen. Also: Keine gute Idee.
Das eigene Knie
Immerhin gibt es noch Sticks mit Gummikopf, puschelige Polycarbonat-Besen und es gibt das eigene Knie. Das ist in einer handlichen Entfernung von den hampelnden Händen und lässt sich – wechselweise linke Seite, rechte Seite – im Paar sehr hübsch beklopfen. Das paarweise Vorgehen ist allein schon deshalb zu empfehlen, weil es die Intensität der blauen Flecke reduziert und zugleich die Hosenbeine schont. Und es ist zu empfehlen, den Fokus nicht all zu sehr auf Akzente zu legen, das könnte nämlich ein vorzeitiges Ende der Übungsstunde zeitigen. Also? Mäßíg gute Idee.
Ein Pad
Natürlich wäre das beste, ein Pad zu haben. Entweder ein Kneepad, das mit Band um den Schenkel über dem Knie schwebt, oder ein Drumprax, das sich auch in den Hals einer Wasserflasche zwängen lässt, was je nach Füllstand die Lärmentwicklung oder das Überschwemmungsrisiko steigert, oder gleich ein R-Tom Moongel Pad oder ein Zildjian Reflexx Pad, wobei das erste auf einen Practice-Pad Ständer befestigt werden kann, das zweite nicht und je nach Impact über seine Lagerstätte zu wandern beginnt. Falls sich nicht ein Snare-Ständer findet, der auch 6″ sicher festhält. Die beiden letztgenannten Pads haben zudem den Vorteil, wirklich leise zu sein, und das ist – auch andere möchten Urlaub machen – zumal in Hotels und am Stand eine gute Sache.
Also was jetzt…?
Das missliche an Hotelzimmern bleibt also, dass sie nicht das eigene Zuhause sind. Der akustische Spielraum ist in vielfacher Hinsicht noch begrenzter und mit Hausmitteln nur bedingt zu überwinden. Klar ließe sich noch die Sohle der Laufschuhe auf ihr perkussives Potenzial prüfen oder die Sessellehne, sofern ein Sessel im Zimmer steht, aber letztlich ist nicht davon mehr als eine Notlösung.
Also: Am besten zu einem leisen Practice-Pad als Reisebegleiter greifen!
PS: The Motel Room ist ein Song vom Album Playground Psychotics von Frank Zappa
Abbildungen: Flamadiddle