Relax – Immer Stress mit der Entspannung

Geht das noch jemandem so? Jedes Mal, wenn ich versuche, auf Tempo zu kommen, halte ich die Sticks zu fest. Mitunter auch nur jedes zweite Mal, aber dann um so fester. Obwohl das so hilfreich ist wie ein Kropf.

Mister Charley Wilcoxon beispielsweise, Autor des in den 1950-er erstveröffentlichten Lehrwerks Wrist and Finger Stroke Control, schreibt in eben diesem:

Practicing relaxed is a must. 

Also: Entspannt zu üben ist ein Muss.

Auch Steven Clark, TheNonGlamerousDrummer, erläutert gerne und immer wieder, das Entspannung das neue Stressless ist.

Matt Petalla, einst Schüler von George Lawrence Stone himself, betont gleichfalls, wenn es krampft sei etwas falsch und das Ziel sei immer entspanntes Spiel – bei Stick Control wie auch sonst.

Und Gavin Harrison, der Drummer von Porcupiene Tree, Steven Wilson, Gleb Kolyadin und anderen mehr, erläutert sein Warm-up so:

Ich spiele schnelle Doppelschläge in Achteln, bis es in den Muskeln zu ziehen anfängt, und wechsele dann auf Einschlagwirbel in Vierteln.

Relax! Don’t do it!!!

Aber was nutzen die schönen Worte, die klugen Gedanken, die ganze Recht-hast-du-Einsicht, wenn die Pfoten wie in Leichenstarre verkrampfen, sobald sich Tempo auch nur am Horizont ankündigt?

Ich erinnere mich noch an meinen Trommel-Unterricht Anno dunnemals. Da war die Devise: TempoAnziehenBisNichMehrGeht. Und dann, wenn gar nichts mehr geht, Tempo runter – oder Krampf, weil zu spät (denn Ehrgeiz ist kein guter Berater…).

Der besondere Charme der Operation lag allerdings in dem Umstand, dass jeder Schlag bitteschön fein aus dem Handgelenk gespielt wird. Und für Akzente eventuell mit den Armen dazugepeitscht werden darf. – „Und Finger?“ –  „Die gibt‘s hier nich…“

Das Resultat dieser von meinem Ehrgeiz willig adaptierten Fehlsteuerung war irgendwann ein Tennisarm. Glückwunsch! Beim zweiten Mal anhaltenden Schmerzes im Unterarm überkam mich die Einsicht, ich sei wohl zu doof für Rolls. Und fortan beschränkte ich mich auf Einhandwirbel in Medium. Dumm.

Denn der Haken, das ahne ich seit einer Weile, liegt nicht in den dummen Armen, Handgelenken oder Fingern. Es liegt im dummen Hirn. Ich will zwar nicht beschwören, dass ich einen rasanten Tempozuwachs erlebe, wenn ich über einen längeren Zeitraum bei kontrollierbarem Tempo die gewünschten Bewegungen ausführe.

Aber sicher ist, dass diese Bewegungen deutlich runder, selbstverständlicher, sicherer und damit entspannter ablaufen, was mich dann bei forciertem Tempo länger durchhalten lässt. Und ich unterstelle, dass die Neigung, wie ein Krokodil zuzuschnappen und den Stock nicht mehr aus den Fängen zu lassen, merklich abnehmen wird.

Überhaupt scheint mir der Schlüssel nicht in „möglichst früh möglichst schnell“ zu liegen, sondern eher darin, regelmäßig im Rahmen des Möglichen das Tempo zu steigern und für längere Zeit zu halten – also Ausdauer als Tempomacher zu nutzen.

Zwar muss ich zugeben, dass mir das nicht immer leicht fällt (von wegen, Alter macht geduldig…).

Aber ich gebe mir Mühe, mich immer wieder daran zu erinnern und entsprechende Trainings-Elemente in meine Übungsroutine einzubauen:

  • mal auf einem Practice-Pad
  • mal auf dem Set
  • mal mit Pad-Sticks, ganz gleich ob von ProMark, Rohema oder Agner
  • mal mit schweren Practice-Sticks von Vic Firth, damit es wirklich langsam ist
  • mal mit den pfundsschweren S-Drum Ironsticks, damit es noch gaaaanz vieeeeehhhhl laaaaangsaaaaaaamer wird.
  • mal mit den Ahead M1CX, weil sie Gewicht mitbringen und Holzvibrationen wegnehmen
  • Oder mit den Agner R1 Hornbeam mit ihrem roten Gummikopf auf irgend einem Gegenstand draußen vor der Tür….

Denn auch wenn die Römer keine Schlagzeuge hatten, ihr Spruch stimmt trotzdem: Variatio delectat. Abwechslung erfreut in der Tat, was das Thema der Entspannung wesentlich erleichtert. Und ist der Mensch entspannt, lässt auch der Ehrgeiz locker und die Belohnung folgt meist schon kurze Zeit später.

Und so viel Zeit werden wir doch wohl noch haben…?!

PS: Relax ist ein Song der Gruppe Frankie Goes To Hollywood und erschien auf dem Album Welcome To The Pleasure Dome, einer Lehrstunde in treibender Rhythmik.



Abbildungen: Flamadiddle



1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (No Ratings Yet)

Loading...

icon artikel mailen

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Webseite verwendet Cookies, kleine Textdateien, die auf  in Ihrem Browser gespeichert werden, um die Funktion der Webseite zu verbessern und anonymisierte Statistiken zu erstellen. Hier können Sie wählen, ob und wie Flamadiddle diese Cookies setzen darf.