Slip Slidin‘ Away – Wenn Stöcker fliegen
Es ist ein Kreuz mit den Stöcken. Man nimmt sie in die Hand, holt aus, haut auf’s Fell und – schwupps – schmeißt der Rebound die Stöcke auf den Boden. Das ist doof, aber sicher dem ein oder anderen bekannt. Was also tun?
Mit festem Griff den Stick umschließen ist semi-clever, denn damit ist der Rebound verbaut. Und dessen schöne Seite ist, dass er Arbeit, Kraft und Zeit spart, denn er arbeitet der Gravitation entgegen. Vulgo: Was von selber hoch kommt, muss niemand heben.
Also gilt es, den richtigen Druck zu finden. Der allerdings variiert, je nach Ziel der Operation: Fester für Buzzrolls, lockerer für offene Wirbel, noch lockerer für ordentlich Schwung im nächsten Schlag und ganz locker für fliegende Stöcke. Aber da wir das nicht wollten geht‘s wieder zurück auf Null.
Die eigentliche Crux ist, dass die meisten Stöcke lackiert sind. Und lackiert heißt glatt. Und wenn nach einer Weile üben die Finger feucht werden, wird der Lack noch glatter. So glatt, dass einem glatt die Stöcke wegfliegen. Wäre ankleben eine Idee?
Bei den Geräteturnern spionieren und Talkum auf die Hände stauben, ist eher nicht die Lösung. Denn das staubt sicher auch das Set voll, und dann helfen nicht mal Jazzbesen beim Reinigen.
Die Alternative: Handschuhe. Aus Leder. Aber mal ehrlich: Wer spielt schon mit Handschuhen?
Ok, ein paar Heavy-Metal-Drummer soll es geben, die Handschue tragen, um Blasen zu vermeiden. Aber wer mit fetten Knüppeln über Stunden seine Schießbude verdrischt, der hat es nicht besser verdient, könnte ein hämischer Kommentar lauten. Das Dumme ist nur: Die Jungs und Mädels können damit gewaltig Schwung holen und behalten trotzdem die Kontrolle. Das hat durchaus was für sich.
Und Bertram Engel, der Drummer von Trommler Udo Lindenberg, trägt ebenfalls Handschuhe. Weil er, so sagt er, bei den vielen Stunden, die er spielt und die die Konzerte dauern, sonst (da sind sie wieder:) Blasen an den Fingern hätte. Das ist auch ein Argument pro Fingerleder, wobei ich vermutlich auf die vielen Stunden seines Tages nicht mal in einer Woche kommen werde. Dafür greife ich aber oft zu kräftig zu, insbesondere links, und Blasengefahr besteht daher prinzipiell auch. Hm…
Zum Glück habe ich ein paar Lederhandschuhe für die Übergangszeit – nicht von „Stock fliegt“ zu „Stock bleibt“, sondern für die Witterung zwischen Herbst und Winter. Lässt sich mit ihnen vielleicht auch ersteres damit erreichen!? Mal probieren.
Ich trabe also durchs Haus, rupfe die Schublade mit den Wintersachen auf, schnappe mir die Handschuhe und trabe zurück. Wie vor das Pad gehockt, streife ich die ledernen Fingerlinge über die Hand, nehme mir die schweren SD1 General. Und hole kräftig aus…
„Tock“, sagt das Pad. Und der Stick? Ist noch da! Das ist erfreulich, aber ich habe auch ein bisschen geklammert. Lockern wir mal den Griff. Kräftig ausholen und… – „Tock.“ Der Stock ist noch immer da, wo er vor dem Schlag auch schon zu finden war – in meiner Hand. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen überrascht und lockere den Griff noch etwas mehr. Ausholen, mit Schwung auf das Pad hämmern und „Tock“ ist der Stock noch immer nicht verloren. Wow!
Eins ist schon mal sicher: Mit Handschuhen gibt es mehr Haftung und damit mehr Kontrolle. Ungewöhnlich ist die zweite Haut trotzdem, auch wenn sie das Stockgefühl nicht massiv dämpft, da die Handschuhe relativ dünn und nur leicht gefüttert sind. Mit dicken Lederfäustlingen wäre das sicher ein andere Schnack.
Da stellt sich doch die Frage, wie es wäre, wenn es richtige Schlagzeug-Handschuhe wären? Der Zufall will, erinnere ich mich, dass genau solche eventuell noch im Verborgenen einer alten Kiste lauern, von Meinl, mit weißem Leder für die Finger und schwarzem Netzgewebe über dem Handrücken. Dazu sind sie sehr dünn, minimalst gefüttert und liegen eng an den Fingern. Hinein mit die Greifer und die Hölzer gepackt. Resultat?
Das fühlt sich sehr viel direkter an. Dazu flattert nichts, weil diese Handschuhe wirklich dicht um die Finger sitzen. Das gibt bei verbessertem Halt zugleich noch mehr Kontrolle. Tatsächlich fühle ich mich mit den Handschuhen ein deutliches Stück sicherer und das macht das Spiel spürbar lockerer. Nur optisch komme ich mir ein bisschen doof vor – ein bisschen wie ein Hölzchen-Kellner. Was das für die Zukunft heißt?
So genau weiß ich das noch nicht. Erstmal werde ich es weiter probieren, allein, um die Hände entspannter greifen zu lehren. Und dann werde ich immer mal wechseln – heute mit, morgen ohne Handschuhe. Quasi die Hände entwöhnen. Oder mir selber mehr vertrauen. Und dann?
Das sehen wir später. Denn ich muss erst mal weiter üben – macht mit mehr Halt ja auch mehr Spaß. Und Spaß ist immer noch das Wichtigste!
PS: „Slip Slidin’Away“ ist ein Titel des Albums „The Concert in Central Park“ von Simon & Garfunkel
Abbildungen: Flamadiddle