Positive Vibrations: Trommeln Stimmen – Tipps & Tricks

Stefan Korth, Schlagzeugbauer und Gründer von Adoro Drums in Hamburg, hat viele Tipps und Einblicke zum Thema Stimmen parat
Stefan Korth, Schlagzeugbauer und Gründer von Adoro Drums in Hamburg, hat viele Tipps und Einblicke zum Thema Stimmen parat

Zum Thema „Trommeln stimmen“ gibt es ungefähr so viele Meinungen wie Drummer, habe ich manchmal den Eindruck. Und wenn ich in Übungsräumen oder bei Amateurbands zuhöre, scheinen vielen Drummern auch nach Jahren, die sie spielen, trotzdem nicht mal die Basics bewusst zu sein, also dass beispielsweise an allen Stimmschrauben ungefähr der selbe Ton entstehen sollte… – jedenfalls habe ich das mal so gelernt und es hat damals meinem alten Yamaha 7000 einen sehr homogenen Klang gebracht.

Um das Thema Stimmen etwas genauer zu beleuchten, habe ich Trommelbauer Stefan Korth besucht und ihn eingehend befragt, denn seine Adoro-Drums klingen erstaunlich voll und rund, ohne dass sie einem die Ohren abbeißen. Es scheint da also Tricks zu geben. Welche das sind?

 

Flamadiddle: Neue Felle und an jeder Stimmschraube einer Trommel der selbe Ton – ist das die erste Faustregel, um einer Trommel einen attraktiven Ton zu entlocken?

Stefan: Ich würde noch vorher anfangen – damit ein Fell gestimmt werden kann, gehen wir stillschweigend davon aus, dass der Kessel bereits die optimalen Konditionen dafür bietet. Leider ist das nicht immer der Fall.

Ich restauriere viele alte und neue Drums und gehe heute bei einem nach 2010 produzierten Schlagzeug pauschal davon aus, dass die Kessel nachgegratet oder wenigstens plan geschliffen werden müssen, damit der Kessel überall frei von Unebenheiten ist. Das liegt daran, dass heute anders produziert wird und die Gratungen in einem Arbeitsschritt mithilfe einer CNC-Fräse erfolgen. Sie sehen gut aus, aber wirklich plane Kessel sind seither eine Glückssache.

Ich erwähne das, weil es scheint, als ob wir ja heute dank Internet und Youtube-Tutorials eigentlich weit mehr Drummer haben sollten, die sich sicher fühlen im Bereich Drum Tuning, aber tatsächlich sind viele immer noch sehr unsicher. Und ich glaube, nein, ich weiss, einer der Gründe ist, dass viele Trommeln sich einfach nicht leicht stimmen lassen, weil bei gleicher Spannung die Felle wegen dieser Unebenheiten nicht mehr in sich in Stimmung sind. Und das führt oft zu Frust beim Stimmen.

Ist die Grundvoraussetzung für einen guten Fell-Kessel-Kontakt gegeben, ist das Stimmen dagegen denkbar einfach – gleichmäßig leichtgängige Böckchen vorausgesetzt, denn man muss einfach nur jede Schraube in etwa gleich stark anspannen, um nun einen in sich konsistenten Ton zu bekommen.

 

Geschwister: Beim linken Stimmschlüssel hat Stefan die Ohren abgeschliffen, um so locker wie möglich "fingerfest" stimmen zu können

Geschwister: Beim linken Stimmschlüssel hat Stefan die Ohren abgeschliffen, um so locker wie möglich „fingerfest“ stimmen zu können

Ich nutze dazu zwei kleine Stimmschlüssel, deren Flügel ich abgeflext habe. Damit kann ich schnell die Stimmschrauben eindrehen, aber nur wenig Kraft aufbringen. Ich ziehe die Felle über Kreuz auf, um diese zu zentrieren und einen perfekten Sitz zu gewährleisten. Ist der Kessel perfekt plan, bekomme ich dann, ohne zu stimmen, nur mit dem Anziehen der Stimmschrauben ein in sich gestimmtes faltenfreies Fell. Dies ist mein tiefster stimmbarer Ton.

Wenn ich höher stimmen will, nutze ich normale Stimmschlüssel und gehe einfach reihum entsprechend höher. Für eine warme Stimmung ziehe ich z.B. beidseitig das Fell nur handfest an und gehe dann etwa eine Viertelumdrehung an jeder Schraube höher am Resonanzfell; damit lande ich im warmen Bereich, was die Trommel fett und voll klingen lässt.

 

Und was denkst du zu den häufig empfohlenen gefettete Stimmschrauben?

Stefan: Ich bin kein Freund von Fett am Böckchen. Wir brauchen kein Fett, denn die Gewindehülsen sind aus Messing gefertigt, ein weiches Material, und die Stimmschrauben aus Eisen, wesentlich härter, wodurch diese Gewinde selbstsfettend sind.

Dazu sollen Stimmschrauben ja nicht super leichtgängig sein, sie sollen eine gewisse Reibung aufweisen, die das eigenständige Verstimmen verhindern. Fett würde hier nur stören, da es Symptome für schlecht geschnittene Gewindegänge oder unsauber gefertigte Stimmschrauben kaschiert, wo die Lösung hätte sein müssen, die Gewinde besser zu schneiden oder bessere Stimmschrauben zu benutzen.

Wenn ein Gewinde wesentlich schwergängiger ist als es sein sollte, nehme ich einen Gewindeschneider und bessere es aus, das geht sehr schnell und ist eine echte Lösung, statt nur ein Pflaster für das Problem zu sein.

Aber das ist irgendwie symptomatisch für die Branche, viele Dinge werden heute gemacht, ohne nach dem Warum zu fragen und ohne die wirklichen Probleme anzugehen – …du merkst, auch beim Stimmen komme ich nicht ganz aus meiner Rolle als Schlagzeugbauer raus…

 

Im Akustik-Jazz sind die Trommeln meist recht hoch gestimmt und Schlag- und Resonanzfell auf den selben Ton. Was hat das für Gründe und welche Vor- und Nachteile gibt es da?

Stefan: Na, der Grund wird wohl sein, dass den Jazzdrummern das so gefällt; man bekommt einen schön definierten, klaren Ton. Man nennt es die resonante Stimmung, weil wir zudem noch eine Menge Kesselresonanz und Sustain (Ausklingen) bekommen. Hoch gestimmt ist das ganz okay.

Leider stimmen auch viele Rock Drummer so – es gibt prominente Tutorials, die genau diese Stimmweise lehren, aber natürlich dann nicht hoch, sondern tief gestimmt. Und hier hat die resonante Stimmung einige Nachteile: Während das hoch gestimmte Fell einigermaßen kontrollierten Sustain hat, wird dieser tiefer gestimmt immer länger und unkontrollierter. Aber damit wären wir dann auch schon beim Rock-Sound.

 

Im Rock sind die Trommeln im Grundklang tiefer gestimmt, aber das Resonanzfell meist etwa eine Terz höher als das Schlagfell. Welchen Folgen hat so ein höher gestimmtes Reso? Macht es den Nachklang kürzer oder hat es (auch) andere Effekte?

Stefan: Wie gesagt, kann die resonante Stimmung, wenn man sie tiefer anlegt, zu ungewollt längerem und unsauberen Ausklingen führen. Dies hat zur Folge, dass Drummer den Ton durch verschiedene Maßnahmen verkürzen, wie mit Mufflern, Moongel oder Gaffa und Taschentücher, und meist nehmen sie zudem noch doppellagige Felle für noch kontrolliertere Obertöne und mehr Punch.

Es sollte uns stutzig machen, dass wir häufig Maßnahmen ergreifen, um den Klang abzutöten, damit der  Drum Sound verbessert ist. Man könnte meinen, wenn der Klang einer Trommel sich mit ein paar Lagen Gaffa und relativ tot klingenden Fellen verbessert, war er wohl vorher nicht wirklich gut. Ich kenne jedenfalls kein gutes Instrument, welches man durch exzessives Abkleben klanglich verbessert. Ich glaube, dass es einen weit besseren Weg zu einem guten Klang gibt: durch die richtige Wahl des Instrumentes und dessen richtige Stimmung.

Die von dir angesprochene Stimmung macht genau das – je weiter wir die Trommel aus der resonanten Zone in die warme Zone stimmen, um so kürzer wird das Sustain, da die Felle anfangen, gegeneinander zu arbeiten und sich so auf natürliche Weise abwürgen. So brauchen wir keine oder weit weniger Hilfsmittel, um die Obertöne in den Griff zu bekommen.

Zudem bekomme ich bei dieser Art der Stimmung – das Reso ist eine Terz höher als das Schlagfell gestimmt – eine Obertonreihe, die eine Oktave unter dem Grundton liegt, low end for free quasi. Dieser Effekt ist hier sehr ausgeprägt, daher nennt man diese Stimmung auch die Warme Stimmung: sie hat mehr Bassanteil und klingt einfach warm und fett. Dafür muss man zum Glück keinen Master in Musiktheorie haben, viele Drummer landen intuitiv bei der Terz, wenn sie einfach so weit höher stimmen, bis es richtig fett klingt.

Die Schwierigkeit ist hier eigentlich nur, dass die warme Stimmung kontra-intuitiv ist: die meisten Drummer stimmen eher alles tief, um den Klang tief zu bekommen; das Reso höher zu stimmen, scheint da paradox. Hier erleben viele Drummer ein echtes Aha-Erlebnis, wenn sie das das erste Mal ausprobieren und erleben.

Toll ist, dass diese Stimmweise auch sehr gut mit einlagigen Fellen einher geht, und kein bzw. wenig Dämpfen erfordert. Klingt dein Schlagzeug von Haus aus gut, kann es so am Besten scheinen.

 

Wie stimme ich meine Snare? Das Resonanzfell immer knackehart für eine sensible Ansprache des Teppichs und den Ton über das Schlagfell bestimmen? Oder sollten man auch hier andere Regeln im Hinterkopf haben?

Stefan: Viele Drummer stimmen ihre Snare heute sehr tief, hier ist tatsächlich das Reso wirklich hoch zu stimmen für eine saubere Ansprache. Wir sind bei der Snare eigentlich immer im warmen Bereich, also Reso höher als Schlagfell, aber selten nur eine Terz.

Genau genommen kann man das Snare-Reso kaum stimmen wie ein normales Fell, ab einer gewissen Spannung hört man nicht mehr, ob es gleichmässig gespannt ist oder nicht, darum ist es um so wichtiger, beim Aufziehen gleich darauf zu achten, immer gleichmässig höher zu stimmen. Ich beseitige immer erst alle Falten vom Snarebed, dort muss wegen der Vertiefung das Fell stärker angezogen werden. Ab da wird dann in gleichen Umdrehungen höher gestimmt.

 

Für die Snare rät Stefan, das Reso sehr stramm zu stimmen, aber zuerst das Fell am Snarebed faltenfrei zu stimmen

Für die Snare rät Stefan, das Resonanzfell sehr stramm anzuziehen, es aber zuerst am Snarebed faltenfrei zu stimmen.

Wichtig bei der Snare ist natürlich auch der Snarewire oder Snareteppich bzw. seine Spannung. Hier lohnt es sich, von ganz locker bis superfest mal nach und nach alle Spannungen auszuprobieren und zu schauen, was einem gut gefällt.

Es gibt oft mehr als eine Spannung, die gut funktioniert. Nach der ersten resonanten Zone klingt der Snarewire oft abgewürgt, etwas mehr angespannt gibt es aber meist noch eine zweite resonante Zone, in der er wieder lebendiger klingt, bevor es dann endgültig abgewürgt klingt. Probiert das mal aus!

 

Bleibt die Bass-Drum. Lieber Schlag- und Resonanzfell lockerer Stimmen, damit der Ton schön tief ist? Oder das Resonanzfell etwas höher? Und ein Loch hinein schneiden, damit der Ton kürzer wird und ein Mikro hinein passt? Wie ist da deine Erfahrung?

Stefan: Auch bei der Bassdrum stimme ich warm, also Reso höher als das Schlagfell. Tatsächlich bewirkt ein tiefes Stimmen beider Felle einen kraftlosen, patschigen Sound mit wenig Bass und Definition, und meist unkontrolliertem Sustain, weshalb die meisten Drummer ihre Kick dann als Wäschetrommel missbrauchen. Das ist gerade bei kleinen Kicks fatal, weil es zwar das Sustain verkürzt, aber auch die Kick leiser macht, insbesondere, wenn das Frontfell dann noch ein Loch hat.

Bei Bass Drums mit 20“ oder kleiner lasse ich aber das Loch ganz weg und stimme das Frontfell ziemlich hoch. Dadurch verkürze ich ebenfalls den Sustain, das Fell schlabbert nicht unkontrolliert herum, die Kick klingt definiert und kraftvoll, und ich benötige keinerlei Kissen. Ich benutze hierfür allerdings auch ein vorgedämpftes Fell ähnlich dem Remo PS3. Aus etwas Entfernung klingt die Kick dann jedenfalls wie abgenommen!

Jetzt werden Tontechniker im Live-Betrieb oft ratlos, weil sie nicht gewohnt sind, eine Kick von aussen abzunehmen. Die besten Resultate hat man dabei eigentlich mit der Grenzfläche, welche normalerweise in der Kick liegt, wenn man sie ca. 20 cm vor der Bassdrum platziert. Weil ich aber den Technikern nicht immer erst ihren Job erklären möchte oder kann – 10 Minuten vor dem Gig ist wirklich nicht die richtige Zeit, das auszudiskutieren – liefere ich die Kick dann meist dennoch mit Loch an. Im Live-Betrieb erwartet der Tontechniker keine gut klingende Bassdrum, er will einfach zwei Mikrofone möglichst signalgetrennt vom Rest positionieren, sodass er sich den Sound selber basteln kann.

Ich hoffe hier zwar auf ein Umdenken, aber gerade der Trend von extralangen Bass Drums, die quasi einfach nur viel Luft bewegen ohne wirklich gut zu klingen, hat dazu geführt, dass Tontechniker eigentlich immer ihren eigenen Sound kreieren. Das müssen sie auch, wenn sie die Instrumente so nah abnehmen – eine Trommel klingt mit einem 2 cm-Abstand vom Fell – oder gar von innen – komplett anders als mit 20 bis 30cm Abstand bzw in normaler Hörweite. Sie bekommen einen Bass-Boost dank dem Nahbesprechungseffekt, allerdings kann nur der Bass geboostet werden, der auch da ist. Da wir beim warmen Stimmen eine Obertonreihe eine Oktave unter den mit den Fellen gestimmten Ton bekommen, braucht es, um diesen Klang abzunehmen, etwas mehr Abstand vom Drum Set. Diese Stimmung eignet sich daher vor allem für alle Situationen, wo der akustische Klang des Sets im Raum dominiert und auf der Bühne ggf viele Mikrofone sind.

Die meisten Stimm-Workshops richten sich leider nach den Bedürfnissen bei live-Konzerten in großen Arenen – wo man getrost sagen kann, dass nicht mal auf der Bühne der akustische Klang des Schlagzeuges eine Rolle spielt. Das geht allerdings bei wohl 99% aller Drummer an deren Realität vorbei.

In Proberäumen, bei kleinen Konzerten, selbst in großen Hallen haben wir mit dem akustischen Klang der Drums zu arbeiten, und dort bereitet es große Schwierigkeiten, wenn der z.B. in andere Mikrofone leaked, was man „bleeding“ nennt. Das ist aber nur dann ein Problem, wenn der akustische Sound sehr von dem abweicht, was wir hören wollen; stell dir das wie schiefe Vocals ohne Autotune vor. Das will auch keiner hören. Wäre es nicht in quasi jeder Situation besser, wenn die Drums daher so klingen, wie wir es bei Aufnahmen erwarten?

Daher nehme ich wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten von Tontechnikern. Ihr Job sollte es ja sein, mich lauter zu machen, nicht meinen Sound zu kreieren, während mein Job als Drummer ist, einen möglichst guten Sound anzubieten. Klar hat das Konfliktpotential, aber Tontechniker sind ja nicht dumm, sondern meist nur im Stress, und wenn sie merken, dass die Drums schon ordentlich klingen, sind sie meist schnell versöhnt, denn das macht ihren Alltag sehr viel einfacher. Denn eigentlich glauben viele Drummer heute noch, dass der Tontechniker IHR Tontechniker ist, der ihren Sound kreiert, und mehr nebenbei noch die restliche Band abmischt. Wir müssen uns emanzipieren, in dem wir zeigen, dass wir wissen, wie man stimmt, und ein gut klingendes Set auf die Bühne bringen, mit ausgewogenem Sound. Glaube mir, das kommt live ebenfalls sehr gut an.

 

Manche stimmen eine Stimmschraube an ihren Trommeln lockerer, um den Ton der Trommeln tiefer zu bekommen und den Sustain zu verkürzen. Ist das clever? Oder gibt es bessere Alternativen?

Stefan: Durch das – meist intuitive – Tiefstimmen aller Felle bekommen wir einen recht patschigen, attacklastigen Sound, der eher dünn ist. Dazu löschen sich die Bässe auf größere Entfernung durch Überlagerung gerne aus und generell wandern Bässe nicht so gut und weit wie die Höhen. Ich kann das mal mit einer Floortom beispielhaft erklären:

Die meisten Drummer würden für einen fetten Sound eher größere Kesselmaße bevorzugen, z.B. eine 16-er oder gar 18-er Floortom. Leider steigt der Attack – das Geräusch vom Klatschen des Stocks auf das Plastikfell – proportional mit der Größe des Fells. Während eine kleine Tom daher sehr wenig Attack und viel, definierten Ton hat, liefert mir eine 18-er Floortom fast nur Attack und wenig Ton, zumindest in dem Moment des Anspiels.  Lasse ich nach dem Anschlag 2-3 Sekunden Pause, höre ich natürlich den Ton des Floortoms wieder, aber ohne Kompressor würde im Kontext mit Musik dieser Ton komplett unter gehen.

Wenn ich nun warm stimme, ziehe ich das Resonanzfell höher. Gehen wir mal bei einer Floortom von einem auf 100 Hertz (Hz) gestimmten Fell aus, dann liegt die Terz bei 130 Hz; der Schwebton, der erzeugt wird, ist eine Oktave tiefer bei 50 Hz. Hier zeigt sich, dass ein Schlagzeug nicht gross sein muss, um super fett zu klingen, denn ich kann vielleicht eine 18-er Floortom tiefer stimmen, vielleicht sogar auf 70 Hz, habe aber dann nicht nur mit dem massiven Anstieg des Attack zu tun, sondern der eben noch als schön fett empfundene Schwebton sinkt nun plötzlich ins nicht mehr Hörbare ab – 35 Hz sind für unsere Ohren nicht mehr wahrnehmbar. So genommen klingt meine 14-er Floortom auf 100 Hz gestimmt fetter als die 18-er auf 70Hz.

Das kann man sehr deutlich merken, wenn man sich mal die beiden im Vergleich aus 5 bis 10 Metern Entfernung anhört, da merkt man schnell, dass die 18-er Floortom eher wie ein dünnes Patschen rüber kommt, während selbst eine 12-er Floortom noch wie eine Floortom klingt. Was wahrscheinlich eindrucksvoll meine Vorliebe für kleinere Kesselgrößen erklärt.

Was das Sustain angeht, finde ich, dass die Vorteile der warmen Stimmung überwiegen, zumal wir ja bei sehr tiefer Stimmung oft wieder im resonanten Bereich sind, also deutlich mehr Sustain haben. Ich sehe das also nicht wirklich als Lösung für kürzeres Sustain.

 

Bei der verbreiteten Konfiguration mit zwei Toms und einem Floor Tom heißt es, der Klang zwischen den Toms sollte eine etwa eine Terz und zwischen größerem Tom und Floortom eine Quarte sein – also wie der Karnevals-Tusch „Ta-Taa“ und wie das Martinshorn „Ta-Tüü“. Bist du auch dieser Ansicht?

Stefan: Ich stimme meist ebenso, mindestens aber Terzen; ich denke, das machen nahezu alle Drummer so, intuitiv, weil es harmonisch klingt. Ich nenne es die „Bonanza-Stimmung“…

 

Und wie ist das beim Jazz-Kit mit einem Tom und einem Floortom oder bei einem Set-up mit drei Toms und zwei Floor-Toms? Gibt es da auch solche Regeln?

Stefan: Na ja, wenn man die mittlere Tom weg nimmt, landet man meist bei einer Septime zwischen Tom und Floortom. Die Jazzer nehmen zwar meist die größere High Tom, bzw die 12er, stimmen diese aber deutlich höher, die Floortom aber auch. Dadurch verringert sich der Abstand dann wieder auf die Quinte, wobei ich ganz gerne das High Tom deutlich höher als die Floortom habe. Aber ich bin kein Jazzer, auch wenn meine Drums das vermuten lassen. Für meine Höhrgewohnheiten stimmen mir die Jazzer zu hoch.

 

Drum Workshop gibt in seinen Trommeln einen konkreten Ton an, den diese haben sollen, Gavin Harrison stimmt seine Toms auf ungefähre Töne, es gibt Stimm-Apps und -Geräte für Drums, die Frequenzen und Töne angeben – ist es überhaupt sinnvoll, Trommeln auf exakte Töne zu stimmen?

Stefan: Ich halte diese Aktion von DW für einen ausgemachten PR-Gag, aus konkretem Grund, den ich gerne erkläre: Generell bin ich der Meinung, dass eine gute Trommel sich dadurch definiert, dass sie einen großen Stimmumfang hat, und somit in vielen Tonlagen gut klingt. Der Kesseleigenton ist bauartbedingt und beeinflusst nicht die Tonhöhe, sondern mehr den Attack und Sustain.

Wenn ich eine Reihe an Kesseln produziere, die alle baugleich sind und sich nur im Durchmesser unterscheiden, bewegt sich der tonale Unterschied bei jedem Kessel der selben Größe – z.B. zwei Kesseln mit je 10″ – innerhalb eines Halbtones. Zwischen zwei Größen – z.B. 10″ und 12“ –  beträgt der tonale Unterschied dagegen etwa eine Terz. Um das zu wissen, muss ich nicht jeden Kessel einzeln anklopfen, es sei denn, ich hätte bei der Produktion große Toleranzen, beispielsweise durch stark schwankende Holzqualität.

In dem Moment, wenn ich den Bau des Kessels plane, steuere ich schon durch die Anordung von horizontalen und vertikalen Holzlagen den entstehenden Kesselton. Ich möchte ihn generell so tief wie möglich haben, da ein heller Kesselgrundton eher die Höhen unterstreicht, während ich ja lieber einen warmen Ton möchte. Daher sorge ich durch die Konstruktion der Kessel für einen tiefen Grundton, der dann aber durch konsistente Bauweise harmonisch im ganzen Set zu finden ist. Ich muss da nichts abklopfen.

Bei DW vermute ich, dass sich diese Tradition eingebürgert hat, weil man ursprünglich so Fehler bei der Kesselproduktion herausfinden konnte – ein schlecht verleimter Kessel klingt tot, während ein gut verleimter Kessel einen schönen, definierten Ton gibt. Branchenintern wird behauptet, dass die Firma Keller, welche früher die Kessel für DW und Camco zulieferte, in den Anfangsjahren von DW große Qualitätsprobleme in der Produktion hatte; ich kann das aus eigener Erfahrung nicht bestätigen, da ich erst 2008 das erste Mal mit deren Kesseln gearbeitet habe, und auch nur für kurze Zeit. Ich kann dazu daher nichts aus erster Hand sagen.

Den Klopftest machen wir übrigens auch, aber da hatte ich bisher bei unseren eigenen Kesseln keine Ausfälle. Natürlich verkauft sich das Vorgehen als Qualitätskontrolle nicht so gut, während diese – für den Laien nicht überprüfbare – Geschichte mit dem tonalen Zuordnen der Kessel einfach gut rüber kommt. Es kommuniziert, dass sich da jemand wirklich Gedanken gemacht hat und das Schlagzeug als Instrument ernst nimmt.

 

Der Herr der Trommeln: Stefan Korth in seiner Werkstatt in Schenefeld bei Hamburg

Der Herr der Trommeln: Schlagzeugbauer Stefan Korth in seiner Werkstatt in Schenefeld bei Hamburg

 

Ich kannte dieses Vorgehen bei DW auch und es machte absolut Sinn für mich, bis ich das erste Mal selber ca. 200 Kesselröhren produziert hatte und feststellte, dass diese alle nahezu identisch klingen – bauartbedingt und nach Größe sortiert. Ich WEISS, dass ein 10-er Kessel eine Terz höher klingt als der 12-er, ich muss da nicht jeden Kessel abklopfen. Ich zeige das gerne, wenn Kunden im Shop sind.

Interessant ist auch, dass bei Röhren von 24“ Länge – so produzieren wir unsere Kessel – nicht nur die Röhre, sondern auch jeder daraus geschnittene Kessel den selben Ton haben; die Länge des Kessels macht den Ton nicht tiefer, nur lauter.

DW kann unheimlich gut Geschichten erzählen, hier haben sie einen Mangel (eingeschränkte Stimmbarkeit von Trommeln, ggf. Qualitätsmängel in der Produktion) zu einem Feature erhoben oder einfach getüdelt. Denn wenn es keine Mängel gibt, ist das individuelle Abklopfen der Kessel nur wegen des Narrativs sinnvoll – was mich ärgert, denn ich werde immer wieder gefragt, warum wir das nicht auch machen, und wenn ich das erkläre, bleibt man meist recht ernüchtert zurück angesichts der dreisten PR-Lüge, die uns hier ein Hersteller aufgetischt hat. Ehrlich gesagt WOLLTE ich DW glauben, weil ich das Narrativ logisch fand und ich Sympathie für das Unternehmen habe.

 

Wenn ich mehr (oder weniger) Attack im Klang haben will, steuere ich das leichter über die Fellwahl oder über das Stimmen?

Stefan: Zuerst über die Kesselgröße und Kesseltiefe, dann über die Stimmung. Natürlich hat ein doppellagiges Fell mehr Attack, daher nutze ich sie selbst eher selten, meist nur bei großen Live-Konzerten, bei denen einlagige Felle sonst zu sehr leiden – je größer eine Veranstaltung, desto lauter wird getrommelt, und einlagige Felle verschleissen schneller.

Doppellagige Felle haben zwar eine eingebaute Oberton-Dämpfung, aber die Obertöne bekomme ich ja auch schon durch das Stimmen gut in den Griff,. Und zudem erkauft man sich die Oberton-Kontrolle bei dopellagigen Fellen mit einem stärker eingeschränkten Stimmumfang.

 

Und was muss ich tun, um den Basketball-Effekt – dieses „Boing“ – zu vermeiden, also dass der Ton der Trommel im Nachklang abfällt?

Stefan: Das, was man da hört, meist bei Floortoms und Kick, sind sogenannte Stehende Wellen, also Frequenz-Dopplungen. Diese entstehen generell in quadratischen bzw. runden Räumen, mal mehr, mal weniger.

Ich hatte mal einen Kunden mit besonders hartnäckigem Basketballeffekt im Floortom, da habe ich ihm einen Ring mit Molton ca. 2,5 cm vom Kesselrand eingebaut, das schluckte im ca. 3 kHz Bereich einen Großteil der Frequenzen. Dazu hatte ich einen Holzring einmontiert, an dem ich den Molton fixierte, ohne dass er die Felle berührt.

Vielleicht gibt es noch andere Methoden. Bei einer Kick reicht meist schon ein Stück eingelegtes Schaumstoff, das würde ggf. auch bei der Floortom gehen, würde aber wohl möglich noch wesentlich mehr als nur die spezielle „Boing“-Frequenz lahm legen…

Um diesen Effekt schon von Anfang an zu minimieren, vermeide ich bei Floortoms quadratische Maße in der Tiefe; aber wie gesagt, schon die Tatsache, dass der Kessel rund ist, kann ausreichen.

Du bist bekannt dafür, dass du mit Adoro leise Trommeln baust. Kann man auch mit Stimmen Trommeln leiser bekommen?

Stefan: Durch Fellauswahl und stimmen, ja. Generell wird eine Trommel um so lauter, je höher ich sie stimme. Bonham wusste das und hatte große Kessel schön hoch gestimmt. Ich mache das Gegenteil und stimme kleine Kessel schön tief.

 

Wenn ich ein normales Schlagzeug habe und es leiser spielen will oder muss, welche Optionen habe ich neben nuscheligen Meshheads, damit auch Klang und Ton aus den Trommeln kommen ohne dass es den Nachbarn die Ohren zerreißt?

Stefan: Erst mal die Fenster zu machen… – und dann leise spielen, am Besten mit unseren Silent Sticks natürlich, die reduzieren die Lautstärke um 6 bis 9 Dezibel (dB). Das kann schon ausreichen, damit der Nachbar sich nicht mehr gestört fühlt.

Wenn das Schlagzeug dabei noch sehr sensibel reagiert, klingt es so auch noch richtig gut, was sehr wichtig ist, wenn man leise spielen will: je besser wir Drummer klingen, um so weniger laut werden wir wahr genommen. Deshalb kann ein leiser gespieltes Akustik-Set weniger nervig sein als ein e-Drum Kit, bei dem man nur die Gummipads hört und nicht den Sound.

 

Benny Greb nimmt einen Filzschlegel zum Stimmen – empfiehlst du das auch?

Stefan: Ich nehme tatsächlich meistens meine Silent Sticks zum stimmen, denn je leiser ich die Kessel anspiele, um so deutlicher höre ich Dissonanzen heraus. Ist das Fell perfekt in sich in Stimmung, habe ich auch bei sehr leichtem Anspielen einen schönen, definierten Ton. Ich vermute mal, dass Benny das aus ähnlichem Grund mit dem Filzschlägel macht.

 

Wenn ich neue Felle aufziehe, spanne ich die Stimmschrauben fingerfest und drücke dann das Fell in der Mitte kräftig durch, damit es sich schneller setzt und die Stimmung stabil bleibt. Machst du das auch so oder ist das deiner Ansicht nach Humbug?

Stefan: Humbug wohl nicht. Diese Handhabung rührt von der Verwendung von Remo-Fellen her. Diese sind am Rand verklebt und durch das kräftige Eindrücken der Mitte „knackt“ der Leim einmal auf und das Fell lässt sich besser stimmen. Bei anderen Herstellern ist das so nicht nötig.

Je nachdem, wie tief ich stimme, mache ich das allerdings auch, um das Fell etwas vorzudehnen, weil neue Felle meist noch nicht gut auf der Gratung aufliegen. Lässt sich ein Tom partout auch so nicht stimmen, greife ich, sofern zur Hand, zum Haarföhn und wärme den Rand an oder ziehe das Fell etwas höher an, lasse es eine Weile so stehen, um es dann später tiefer zu stimmen. Das kann aber ein paar Stunden dauern, mit Wärme geht es schneller.

Der Grund für dieses Vorgehen ist, dass die Felle eine Vorprägung – also eine Wölbung – haben, die selten exakt zum Kesselgrat passt – die Fellhersteller geben eine grobe Wette auf die Kesselform ab, die dann meist mehr oder weniger genau passt. Hat der Kessel viel Übermass, landet man schnell in dem vorgeprägten Rand; ich mache daher bei meinen Kesseln gerne einen deutlichen Gegengrat von Aussen, um dies zu minimieren.

 

Gibt es noch den ultimativen Trick, der jedem das Stimmen von Trommeln leichter macht?

Stefan: Ich mag keine Tricks. Wenn die Gratungen okay sind, lässt sich ein Schlagzeug im Handumdrehen stimmen, das ist keine Hexerei. Daher kein wirklicher Trick, aber was ich empfehle:

  1. beim nächsten Fellwechsel die Planheit der Kessel prüfen, ggf plan schleifen (wer es sich zutraut) bzw. plan schleifen lassen.
  2. bei einer verstimmten Tom alle Stimmschrauben lockern und von Grund auf stimmen. Oft geht das viel schneller, als zu versuchen, ein verstimmtes Fell gerade zu biegen.
  3. Übung macht den Meister, aber ich kann nicht überbetonen, wie wichtig es ist, dass der Kessel wirklich plan ist, denn sonst fischt man im Trüben, der Kessel klingt in sich nicht rund und der stimmbare Bereich ist stark eingeschränkt.

Danke für den umfassenden Einblick, Stefan!

 

PS: Positive Vibration! ist ein Titel des Albums Rastaman Vibration! von Bob Marley & The Wailers



Abbildungen: Adoro Drum



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