Hello (From The Other Side) – Die Nachbarn kennen lernen

Nachbarn, Altstadt und Schlagzeug spielen ist eine schwierige Kombination
Nachbarn, Altstadt und Schlagzeug spielen ist eine schwierige Kombination

„Musik wird oft als schlecht empfunden, weil sie mit Geräusch verbunden“, lautet ein alter Spruch. Und er stimmt, aber dann auch wieder nicht so ganz, denn wenn es um Drums geht, wird es komplizierter. Warum?

Das ist dem alternativen Begriff Schießbude inhärent: Schlagzeug ist keine Musik. Schlagzeug ist Krach. Und der Krach ist nicht mal seriös und ordentlich. So wird es ungleich schwieriger, das notwendige Maß an Akzeptanz zu finden, wenn man in seiner Freizeit vermehrt mit Holzstäbchen flattrige Felle vermöbelt.

In meiner Jugend auf dem Dorf war die Toleranz erheblich und ein nachbarschaftliches To-Do: Während die einen tolerierten, dass Schweine schrien und Kühe muhten, drückten die anderen ein Auge zu, wenn es mal wieder aus dem Keller schepperte.

Damit das Scheppern vor der Tür nicht überhand nahm, waren die Kellerfenster mit Matratzen verstopft, die Kellerwände mit Eierpappen enthallt und der Boden mit Teppichen belegt wie ein Clubsandwich mit weiß der Teufel was allem.

In der neuen Sensibilität unserer auto-referenziellen Empfindlichkeits-Gesellschaft ist das mit dem Musizieren etwas ganz anderes, Gesetzeslage hin, Toleranz-Schwelle her.

Während Klavier – Kultur muss sein – noch eine gewisse Gnade erfährt, wenn die Hammerköpfe die Saiten anschlagen, ist die Trommel, das Urwerkzeug der Distanz-Verständigung, inzwischen zur manifestierten Kakophonie der Telekommunikation mutiert und per se eine unerträgliche Beeinträchtigung des zivilen Zusammenlebens. Jedenfalls in den Köpfen verschiedener Anrainer.

Erschwerend kommt hinzu, dass hierzulande Trommeln nicht, wie in den USA oder England, als Kulturgut wahr- und ernst genommen werden, und die maßgeblichen Trommler aus D-A-CH – ob Marco Minnemann, Thomas Lang, Jojo Mayer, Anika Nilles, Benny Greb, Jost Nickel, Claus Hessler und noch allerhand andere – daher vornehmlich in den USA oder in Asien bejubelt werden. Wie auch Lars Ulrich, aber der ist Hardrock-Drummer und obendrein Däne.

Weil also hierzulande kaum jemand Trommeln wertschätzt, sind die Folgen entsprechend unerfreulich: Völlig aus dem Takt und ohne irgend ein erkennbares Timing wird wie entfesselt der Klingelknopf malträtiert und an die Haustür gehämmert, sobald auch nur eine einzige perkussive Schallwelle die Schutzwälle der heimischen Behausung verlässt. Das Resultat:

„So geht das nicht!“ – „Was soll der Lärm!?!?!“ – „Ein unerträgliches Gerumpel!“ – „Musik wäre ja schön, aber das…!“ –  Und natürlich der unschlagbare Klassiker: „Früher hat’s das nicht gegeben!!!!“

Hat es aber – siehe oben – doch. Nur da warst du noch nicht so alt. Und so egozentrisch. Und deine Mutter hatte das Radio urst laut. Und deine Oma, die war schwerhörig, weshalb sie auch Oppas sonntägliches Kreissägengesäge im Garten nicht störte. Womit übrigens ein anderer Klassiker bewiesen wäre:

Früher war alles besser.

Das ändert aber nichts daran, dass ich heute dem Lärmproblem zu Leibe rücken muss, damit er mich nicht vom Drum-Hocker schmeißt. Denn dann wäre alles noch schlechter.

 

PS: Hello (From The Other Side) ist ein Titel vom Album 25 der Sängerin Adele.



Abbildungen: OpenStreetmap.org



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