Nichts bleibt geheim – Snare-Drum reparieren, Teil 2

Nachdem ich die alte Pearl President-Snare zerlegt habe und erste Probleme beseitigt sind, zeigt die Inventur: Die Snare-Abhebung ist immer noch krumm. Also ihr Hebel. Und die Feder, die den Mechanismus nach außen drückt, scheint ihn nicht weit genug von der Trommel drücken zu können. Die Einstellschraube ist mitten im Gewinde gebogen (wie bekommt man das eigentlich hin?). Und dazu quietscht die Gesamthebelei in ihren vier Drehpunkten. Doktor Drum hat also zu tun. Und das geht so:

Den Hebel der Abhebung – eigentlich bloß ein um 90 Grad verdrehter Flachstahl – nehme ich zwischen die eng zusammen gedrehten, topfebenen Backen eines Rollgabelschlüssels und lege die Abhebung auf den Tisch. Dadurch (bilde ich mir ein) habe ich die beste Kontrolle über Druck und Zug und Gegendruck und Rotationskräfte und was mir noch so n physikalischen Phänomenen begegnen könnte, denn keinesfalls möchte ich das Blechle abbrechen. Vorsichtig Druck ausgeübt und… – Zack! … – gerade gebogen. Puh!

Nachdem dieser Coup geglückt ist, folgt die Justage-Schraube der Abhebung. Das ist noch etwas heikler: geringer Durchmesser (M4!), dazu der Knick im Gewinde (also muss das heile bleiben sonst schraubt’s nicht mehr) und überhaupt: Gewinde. An dem muss ich die Schraube nämlich einspannen! Keine gute Idee, zumindest nicht mit einem klassischen Schraubstock.

Zum Glück steht hier eine kleine Ikea-Hobelbank mit Holzbacken. Zwischen die zwinge ich die Schraube und versuche, sie zu richten. Das klappt allerdings nicht so gut, weil die Backen gerundet sind und ein präziser Druckpunkt fehlt. Also doch den Schraubstock? So ähnlich.

Denn auf der Hobelbank ist  ein Minischraubstock verschraubt, der eigentlich unter einem Bohrständer verwendet wird. Gemacht hat das der Vorbesitzer der Hobelbank, ein Chirurg (kein Scherz!). Und dessen Backen (die des Mini-Schraubstocks) habe eine kleine Fräsung, um runde Werkstücke zu halten. Das passt sich gut, denn das Gewinde ist rund. Dazu sind die Backen ohne Struktur, so dass das Gewinde keine seltsamen Formen annimmt. Was folgt, ist dieses:

Das Gewinde der Schraube sachte eingespannt, dann am Schraubenkopf gefasst und vorsichtig über diese Kante gedrückt. Hat geklappt.

Damit könnte ich die Abhebung eigentlich wieder zusammenbauen und schauen, ob sie jetzt besser spannt. Vorher aber gönne ich der Mechanik noch etwas gebürstete Reinigung, auch etwas gepinselte für die Bereiche, die ich mit der Bürste nicht erreiche, sowie etwas Öl an den neuralgischen Dreh-Punkten. Damit wäre die Beweglichkeit gewährleistet. Ach so, ja, natürlich auch die Schrauben putzen und das Wiederlager polieren. Und jetzt zusammenbauen?

Erst noch die krumme Stimmschraube begradigen. Ebenfalls mit Hilfe des hölzernen Schraubstocks. Allerdings ist die Schraube so fest, dass ich nicht ernstlich viel Druck ausüben möchte, denn sollte das Gewinde leidet, hätte ich keinen passenden Gewindeschneider. Also breche ich die Aktion ab – und sooo krumm war die Schraube zum Glück eh nicht. (Hüstel…)

Alles gereinigt. Alles gerade gebogen. Etwas gehüstelt. Alles geölt. Und alles geschützt. Fehlt noch die Montage. Also Schraubendreher raus und los geht‘s:

Snare-Abhebung, Wiederlager, Spannböckchen, Innendämpfer und Entlüftungs-Hülse sind schnell am alten Platz. Ist ja auch nicht viel, wenn es der Spannböckchen ganze sechs sind. Im Ernst: Pearl hat seiner President-Snare exakt sechs Spannböckchen gegönnt! Arme Zeiten für Presidenten, Ende der 1960-er.

Daher war auch die spannende Frage, ob die Spannreifen über die Jahrzehnte krumm und schief gestimmt worden waren. Das ist allerdings nicht der Fall (puh!), auch wenn ihre Materialstärke unter den magischen 2 Millimetern liegt.

Während ich das Resonanzfell montiere fällt mir auf, dass der Spannreifen erstaunlich dicht an der Abhebung in entspanntem Zustand ist – und das Fell ist noch nicht gestimmt! Also nehme ich alles noch mal herunter und platziere eine zweite Unterlegscheibe unter der ersten zwischen Abhebung und Kessel. Das bringt zwar nur magische 2 Millimeter, aber das schafft trotzdem ein bisschen Extra-Luft nach unten.

Das Schlagfell tausche ich gegen ein Adoro Heritage, das ist einem Remo Fyberskin ähnlich und nimmt etwas die Obertöne weg. Außerdem liegt es flacher im Alubett, was den Spannreifen höher schweben lässt.

Aus dem alten Schlagfell, das etwas gedellt ist, kann ich jetzt zum Beispiel einem Dämpfring und zwei Bänder für den Snareteppich schneiden. Was ich direkt mal tue. Und dann:

Das gute Trommel-Stück frisch stimmen, den Snareteppich wieder anbringen, die Schnarrtrommel auf den Snareständer heben und – ich hau einfach mal drauf. Was noch zu sagen wäre?

Wow, kann die singen!

 

PS: Nichts bleibt geheim ist ein Titel vom Album Reisebilder des Liedermachers Hans-Ekchardt Wenzel

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