Jingle Bells – Wow, du hast’n Schlachzeuch?!

Ich liebe Besuch. Besuch ist toll. Jemand kommt vorbei, man sitzt zusammen, trinkt ’n Kaffe oder ’n Wein, plaudert über dies und das, knabbert Kekse, Chips und Käsehäppchen und hat ’ne nette Zeit. Und zu Weihnachten bringt Besuch auch noch Geschenke mit. Klasse.

Eigentlich.

Aber dann gibt es auch den Besuch, den man am liebsten in die Hölle wünscht. Denn manche Menschen wissen einfach nichts mehr über ziviles Verhalten, sobald sie eines Schlagzeugs angesichtig werden.

Während Klaviere respektvoll bewundert werden und Gitarren zu einem Solo auf der Luftgitarre verleiten, zieht ein Schlagzeug beliebige Gäste wie magisch auf den Drumhocker als stünde auf ihm „Deppen-Obhut“, um gleich mal ein bisschen zu … – „performen“… – ! Ne, wirklich!?

Was treibt die Leute dazu?

Ist ein Schlagzeug kein Instrument?

Enthebt die Anwesenheit von Trommeln der zivilen Umgangsformen?

Irjend sujet muss et sin, hätte Wolfgang Niedecken dazu gesagt. Oder es liegt an der im Volksglauben unausrottbaren Ansicht, der Gebrauch des Schlagwerks sei an Simplizität nicht zu unterbieten. Was den gebildeten Menschen sogleich zur spontanen Affen-Performance verleitet (entschuldigt, liebe Affen…).

Oder es ist der hieraus resultierenden Irrglaube, ein Drum-Set habe eine eingebaute Überholspur und beame jeden Hocker-Hocker unmittelbar in das gleißende Licht des Star-Ruhms:

Hinsetzen. Draufhaun. Rockstar!

So oder so ähnlich muss die Gleichung lauten, die wie ein Zensurbalken jeden normalen Gedanken überlagert. Und der eine Reihe landläufigen Allgemeinwissens spontan auszulöschen scheint, zum Beispiel:

  • dass jedes Können mit viel Schweiß, Üben und Disziplin erkauft ist.
  • dass nicht jedem das Talent für alles in die Wiege gelegt ist.
  • dass nicht jeder so coole Schulfreunde hat, dass er auch als mittelmäßiger Schlagwerker zu Weltruhm gelangen darf (nein, ich meine nicht Nick Mason).
  • dass es einen Grund hat, warum das Schlagzeug bei mir steht und nicht bei dir, du Sonntags-Trommler!

Denn mehr als diese zurückhaltende Charakterisierung fällt mir nicht ein, wenn selbst so simple Anstandsregeln wie die freundliche Bitte um Erlaubnis entfallen:

„Darf ich mich mal an dein Schlagzeug setzen?“

„¡Nein!“

Wohl möglich liegt genau hierin der wahre Grund der spontanen Aneignung. Dass bereits vor der Frage der abschlägige Bescheid antizipiert und deshalb lieber die Frage um- und der Fauxpas begangen wird. So ist zumindest ein bisschen des Wunsches errungen, mag auch die Stimmung in der Folge vom Grummeln des Gastgebers überschattet werden. Is doch ejahl. Hauptsach ick hap mein Spass, ne…?!

Nö! Echt nich! Ein Schlagzeug ist ein Instrument, und es kostet nicht bloß reichlich Geld. Das hat sich jemand mit viel Zeit und Gedanken individuell zusammen gestellt. Das ist maßgeschneidert aufgebaut. Und außerdem gilt für Schlagzeuge das selbe wie für alles andere, was man liebt:

Das wird nicht verliehen. Nicht mal für Sekunden.

Verstanden?

 

PS – Jingle Bells ist ein Weihnachtslied, das zwischen 1850 und 1857 von dem us-amerikanischen Komponisten James Lord Pierpont geschrieben und anschließend unter dem Titel One Horse Open Sleigh veröffentlicht wurde



Abbildungen: krakenimages/unsplash.com



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