A Seat – Auf welchem Drum-Hocker hocken?

Ältere Herren müssen auch beim Geschicklichkeits-Sport auf Ihre Gesundheit achten, zum Beispiel beim Trommeln. Denn leider ist diese Beschäftigung in Teilen ungesund – Sitzen ist schließlich das neue Rauchen. Und daher schreit die bedrohliche Situation nach prophylaktischer Abhilfe. Nur: Wie?

Das Dilemma ist ja, dass, wer auf dem Hocker hockt, eben da nur so hockt, während die Arme in der Luft rumrudern und die Füße beingetrieben in die Pedale treten. Und in der Wonne neu eroberter Jugendfreuden fällt schnell mal hinten runter, was einen kurz danach ins Kreuz tritt – beinahe im wörtlichen Sinne. Denn:

Nach getaner Freudenruderei verlockt der Ruf zum Mittagessen. Die Füße setzen neben den Pedalen auf, das geparkte Heck will sich aus dem Polster erheben und – Zack: Ich habe Rücken!

So war das nicht geplant.

So war das nicht mal geahnt.

Und während ich noch in halb gebückter Haltung sinniere, woher und wohin, klammert sich mein Blick am Hocker fest, flankiert von der spontanen Erkenntnis: „Nein!“ – Der Kompromiss mit dem 80 Jahre alten Piano-Schemel war trotz luftigem Flechtwerk unterm Popo wohl doch keine so brillante Idee. Und jetzt?

Zum Glück gibt es das Internet und im Internet gibt es alles:

  • Hocker
  • Hockertests
  • Hockerratgeber
  • Hockerergonomiekurse
  • Hockerergonomieexperten
  • Hockeregonomietestexpertenratgeber

Da ist die Sache mir der Suche schon nach Wochen leidlich erhellt. So die Theorie.

Tatsächlich hilft aber all das nur bedingt, denn eine fremde Meinung nebst individueller Anatomie sorgt maximal für eine statistische Erkenntnis und muss nicht ansatzweise in Deckung mit Wünschen, Wohl und Wehe meiner Wirbelsäule sein. Besser ist da Selbsterkenntnis. Nicht so ganz einfach in der Pandemie, denn wo soll und darf man(n) derzeit testweise Platz nehmen?

Mit etwas Chuzpe und umfangreich belastbarer Kreditkarte ließe sich kurzerhand bei einem kulanten Onlineshop fix das Gesamtsortiment Hocker ordern. Dann zuhause testen und nach zehn Tagen den Lieblingshocker behalten und die übrigen 25 zurückschicken.

Dagegen spricht: Wenn die 25 Hocker zur Post getragen sind, ist der Rücken wieder hin. Außerdem wird sich der Shop die Rückläufer sicher merken, was zukünftige Einkäufe nennenswert erschweren dürfte.

Die Alternative: Der Shop ums Eck (relativ gesehen, da ja nicht jeder einen Drum-Spezialisten in der Nebenstraße findet). Sollte dieser auch nur leidlich sortiert sein, hilft das immerhin schon mal bei der Grundauswahl:

  • Flaches oder dickes Polster?
  • Hartes oder weiches Polster?
  • Leder oder Stoff?
  • Spindel oder Gasdruckfeder?
  • Dreibein oder Vierbein?
  • Kreis-, Oval- oder Sattelform?
  • Marken- oder No-Name-Sitz?

Alternativ können befreundete (oder flüchtig bekannter) Drummer angesprochen werden: Darf ich deinen Hocker mal probehocken? Wer nicht all zu ruppig auftritt, wird sicher Türen geöffnet bekommen (neben den Nähkästchen, aus denen wir ja alle gerne plaudern, Stw. „Weißt du noch, damals…?!“)

In meinem Fall lag die Sache allerdings von Beginn an anders: Es musste zwingend ein ergonomisch durchdachter Hocker sein, sonst wäre schon nach ein paar Minuten Hockerhocken Feierabend.

Aber durch meine mehr als 20 Jahre Abstinenz dem Markt gründlich entfremdet, glich die Qual der Wahl eher einem Meer der Ratlosigkeit. Das Rettungsboot kam in Gestalt einer Ebay-Kleinanzeige.

Der Besitzer des Pearl President, das ich gekauft habe, hatte natürlich auch einen Hocker. Und er lud  mich ein, sein neues Set nebst Becken (Istanbul, äußerst lecker!) anzutesten. Und dazu musste ich mich natürlich auf seinem Hocker niederlassen. Das war ein Aha-Erlebnis erster Güte:

„Willkommen zuhause!“, hauchte der gebeinte Polstergott meinem leiderfahrenem Rücken in den Steiß. Der erklärte mir unmittelbar danach: „So einen will ich auch!“ Und als brav-gehorsamer Steißeigner ließ ich mich bereitwillig dazu herab, seinem Wunsche zu folgen. Er entsprach ja auch meinem.

Nun also throne ich auf einem Dreinbein (nix Vierbein-Wackeldackel) mit Spindel (no Jojo, please) und Sattel (Beinfreiheit Ahoi) nebst Schlitz in der Ritz (für Ergonomie und Luftzirkulation). Ich sitze quasi Ahead. Und da fühle ich mich pudelwohl.

Auch wenn ich eigentlich gar nicht genau weiß, wie wohl sich Pudel auf Drum-Hockern wohl fühlen…

 

PS: A Seat ist ein Titel des Sängers Arin Ray



Abbildungen: Flamadiddle



1 Star2 Stars3 Stars4 Stars5 Stars (No Ratings Yet)

Loading...

icon artikel mailen

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Webseite verwendet Cookies, kleine Textdateien, die auf  in Ihrem Browser gespeichert werden, um die Funktion der Webseite zu verbessern und anonymisierte Statistiken zu erstellen. Hier können Sie wählen, ob und wie Flamadiddle diese Cookies setzen darf.