As Time Goes By – Ü-50 Trommeln, Teil 3

Alte Genossen: Mit den Vic Firth SD1 General – übrigens 1985 noch aus Hickory gefertigt – habe ich jahrelang mein Practice-Pad marode gespielt
Alte Genossen: Mit diesen Vic Firth SD1 General – übrigens 1985 noch aus Hickory gefertigt – habe ich über Jahre mein Practice-Pad marode gespielt. Ihr Gewicht beträgt im Durchschnitt 57,5 Gramm pro Stück

Ich muss zugeben, die drei Snare-Drums mit der kleinen Swinger-Bassdrum, dem Tom und dem Koffer voller Mikrofonen im Container des städtischen Wertstoffhofs versinken zu sehen, das tat wirklich weh. Und ebenso die Resignation ob meiner musikalischen Hoffnungslosigkeit. Und vielleicht war es auch sie, die dem Verschwinden der Gedankenanker überhaupt erst dieses Stichpotenzial einräumte. Der Dorn jedenfalls saß fester als die nebulöse „Wird-schon-irgenwann-mal“-Parole der Vorzeit. Und: Der Dorn war komisch – er keimte.

Er trieb zum Glück keinen Rosenbusch und auch keine Weißdornhecke. Stattdessen entfesselte er ein Unwesen im Unterbewusstsein, dann im Untergrund des Bewusstseins, dann warf er kleine Lichtblicke in die Tagträumereien, verführte zu ersten Googeleien, zu hier und da einen Video trommelnder Herr- und Frauschaften, darunter eine ältere Einspielung von „Caught up“, dessen Trommler mich mit seinem Spiel beeindruckte, doch ich vergaß, den Link zu bookmarken und auch, mit seinen Namen zu merken. Den entdeckte ich aber später wieder, auf ganz anderen Wegen, nämlich beim Besuch von Webseiten von Schlagzeug-Herstellern. Und auf einer von diesen, der von Sonor, präsentierte er das neue SQ2: Aaron Spears.

Wenn ich angeben müsste, warum ich plötzlich wieder ernsthaft die Lust verspürte, zu trommeln, ist die Antwort sein Name: Aaron Spears.

Denn Aaron Spears tat etwas (neben all den hoch interessanten, rasend schnellen und mir völlig unverständlichen Hand- und Fußbewegungen), das auf mich übersprang: Er lächelte. Die ganze Zeit lächelte er, währen er spielte, den Mund offen, die Zähne präsent, als hätte er gerade die beste Laune, die man auf der Welt haben kann, und genau das war, was Trommeln für mich war: Das beste, was man tun konnte, um der Welt die Zähne zu zeigen.

Seit dem war ich infiziert, im Unterboden des Tagesgeschäfts, und die Zahl der Video-Sichtungen nahm beständig zu, von Demos, Konzerten und Mitschnitten aus Drumclinics schließlich die ganze Phalanx der Tipps- und Tricks- und Hacks-Videos von Drumeo und Co.

Nicht nur, dass da offenkundig genug Material zu finden war, das beim Wiederantritt auf die Fußpedale hilfreich sein konnte. Es vermittelte auch das Gefühl, es wäre möglich, nicht bloß wie ein staubknirschiger Greis mühsam die Trommeln zu rühren, sondern rührig und munter über die Felle zu bürsten, mit Besen, Sticks, Mallets, Rods oder was sonst zu finden ist.

Doch wie sag ich‘s? Sonntagmorgen beim Frühstück: „Ach so, ja, Liebling, ich kaufe dann Montag ein Schlagzeug!“ ? Wohl besser nicht. Aber was wäre dann wohl besser? Die Antwort kommt mitunter aus ungeahnter Richtung: Meine Frau meinte, sie habe den Eindruck, ich würde gerne wieder trommeln, und das könnte ich doch tun, wenn es nicht zu laut und nicht zu groß wird. Voilà!

Da war er, der Türöffner. Allerdings neigte sich die zu Beginn wie ein freundliches Scheunentor scheinende Öffnung in der Wand des Widerstands peu-a-peu in die Waagerechte und drohte dort als Falltür in die unendliche Ratlosigkeit. In gemeinsamer Übereinkunft zu dürfen ist zwar schön, aber was genau will ich denn überhaupt? Und wie fange ich überhaupt wieder an?

Der Türöffner führte mich schnurstracks in ein Zimmer voller offener Fragen.

 

PS: As Time Goes By ist im Kern ein Jazz-Standard, der zuerst 1931 in dem Musical Everybody’s Welcome von Frances Williams gesungen wurde. Weltbekannt wurde der Titel aber erst 1942 durch den Film Casablanca, in dem ihn Dooley Wilson sang.

 

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